Bezirk Baden
Baden bei Wien
Stadtgemeinde/Bezirk Baden/Niederösterreich
Leesdorf als Spielball höherer Gewalten
(15. Jahrhundert)
(**) Wenn man in politisch führender Stellung tätig sein wollte, kostete das auch im Mittelalter viel Geld, und so stöhnten die Wallseer, die mit den Habsburgern ins Land gekommen waren, nach einigen Generationen unter einer erdrückenden Schuldenlast. Um sich wenigstens teilweise davon zu befreien, verkauften sie 1380 Burg und Herrschaft Leesdorf an Stefan von Zelking, der hier schon seit einigen Jahren systematisch Gülten erworben hatte (DOBLINGER, 381. – NÖLA, Privaturkunde Nr. 928 von 1376 XI 1 und Nr. 970 von 1378 VIII 6. – Die Meldung, dass Cäcilia von Zelking bereits 1374 Inhaberin von Leesdorf gewesen sei [Ignaz KEIBLINGER, Geschichte des Benediktinerstiftes Melk, Band II/1, Wien 1859, Seite 449], ist nicht nachvollziehbar). Aber schon zwei Jahre später, am 26. Dezember 1382, starb der neue Herrschaftsinhaber (Sein Grabstein in Heiligenkreuz ist bis heute erhalten, vergleich Hermann WATZL, Über Pitanzen und Reichnisse für den Konvent des Klosters Heiligenkreuz 1431. In: Analecta Cisterciensia 34, 1978, Seite 40–147, hier Seite 135), und seiner offenbar kinderlos gebliebenen Witwe Cäcilia fiel ein reiches Erbe zu, auf das sich ihrerseits zahlreiche prospektive Erben Hoffnungen machten. Hinter den Kulissen dürfte das Gerangel bald losgegangen sein, seit 1391 sind zahlreiche Konflikte dokumentiert.
Der ehemalige Wehrturm (Schloss Leesdorf – Innenhof) und rechts mit Teilansichten von Innenmauern
*) Cäcilia hatte von ihrem ersten Mann Ulrich von Pergau 1000 Pfund Morgengabe erhalten, die, da die Ehe kinderlos geblieben war, nach ihrem Tod an dessen Erben Ulrich von Eberstorff und Hans von Sunnberkch fallen sollten. Als Sicherstellung verpfändete ihnen Cäcilia am 27. Oktober 1391 Burg und Herrschaft Leesdorf (NÖLA, Privaturkunde Nr. 1267 [1391 X 27]. – Neben dem klaren Wortlaut dieser und der in der Folge zitierten Urkunden bleibt kein Platz für die [in einem Wallseer Inventar überlieferte] Behauptung, dass Reinprecht II. von Wallsee ca. 1390 seinem Bruder Friedrich V. die Feste abgekauft habe, die ihm Herzog Albrecht dann 1398 als Leibgedinge verliehen habe [DOBLINGER, 330]. Die Meldung des Inventars wäre nochmals auf ihren tatsächlichen Inhalt und Umfang zu untersuchen).
Feste – Burg
Leibgedinge – Verpflichtung, Naturalleistungen wie Wohnung, Nahrungsmittel, Hege und Pflege gegenüber einer Person bis zu deren Ableben zu erbringen
Morgengabe – eine in Bezug auf die Ehe vorgenommene Zuwendung von Geld oder Gütern des Bräutigams an die Braut
NÖLA – Niederösterreichisches Landesarchiv
Pitanzen – Aufbesserungen der klösterlichen Nahrung aus einer Stiftung
*) Katharina von Hanau (eine geborene von Sachsengang) verzichtete zu Gunsten ihres Vetters Hans Sunnberger auf ihre künftigen Anteile an Leesdorf. Die diesbezügliche Urkunde wurde anscheinend erst 1394 ausgestellt, doch muss die Abmachung früher getroffen worden sein, weil sich der Sunnberger seine Erbansprüche bereits 1392 ablösen ließ.
Vetter – Cousin oder Onkel
*) Am 7. August 1392 verkauften Hans von Sunnberkch und seine Schwester Ofmei, Witwe Leopolds des Trawner, die Anwartschaft auf ihre Hälfte des Erbes um 100 Pfund an Hans von Eberstorff, Obersten Kämmerer in Österreich, und seinen Bruder Alber von Eberstorff. Gesiegelt wurde die Urkunde wegen ihrer Wichtigkeit von Ulrich von Eberstorff, Oheim der Aussteller und Anwärter auf die andere Erbhälfte, und von Vinanz von Sunnberkch, Vetter der Aussteller.
*) Offensichtlich fühlten sich dadurch andere Zweige der Familie benachteiligt, denn 1395 ließ Ulrich von Pergau d.J. Feste und Herrschaft Leesdorf pfänden. Neben Cäcilia besaßen auch andere Zelkinger Hoheitsrechte in Leesdorf; diese ließ, ebenfalls 1395, Ulrich der Seebeck, damals Inhaber der Herrschaft Baden, beschlagnahmen.
d.J. – der Jüngere
1398 fühlte Cäcilia ihr Ende nahen und stiftete einen Jahrtag in (Klein-)Mariazell, 1399 war sie bereits verstorben (Alois GEHART, Ein Archiv-Inventar des Klosters Kleinmariazell aus dem 18. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Jahrgang 50–51/1984–1985, Seite 135–180, Nr. 81. – NÖLA, Privaturkunde Nr. 1489 = 1399 Juli 2).
Jahrtag – Für einen bestimmten Tag gestiftete Seelenmesse
(Entnommen aus: Große Herren, kleine Leute. Das alte Leesdorf 1114–1800, Seite 45/46. Katalogblätter des Rollettmuseums Baden, Nr. 84, 2011. Rudolf Maurer (Leiter des Rollettmuseums und Archivar des Stadtarchivs der Stadt Baden.)
1371 gab es eine Erbteilung der Brüder Alber, Otto und Ulrich von Zelking mit ihrem Vater Heinrich von Zelking, wobei unter anderem vereinbart wurde, dass die Weingärten in Baden und Gumpoldskirchen nun Otto allein gehören sollen (Quelle: St. Pölten, Niederösterreichisches Landesarchiv, Privaturkunde Nr. 5356).
Nach dem ersten Türkenkrieg richteten die Herren von Zelking im Hause Hauptplatz 12 eine Gaststätte ein. Daß es ein sehr vornehmes Etablissement war, können wir den Ungeldverzeichnissen entnehmen (das Ungeld war eine Art Getränkesteuer): Während alle anderen Schankbetriebe Badens einfach einige Eimer Wein zu versteuern hatten, waren es im Haus der Herren von Zelking grundsätzlich 2 lagl Muscateller (HKA, Niederösterreichische Herrschaftsakten B 1 A, 129r, 142r, 166r), also ein besonders guter Wein, der nur in sehr kleinen Einheiten gelagert und ausgeschenkt wurde.
Zwischen 1549 und 1562 übernahm die Stadt Baden die Pacht dieses Gasthauses, das nun gemainer stat gasthaus oder, 1580 erstmals urkundlich erwähnt, zum gulden hirschen genannt wurde (Seite 25).
1533 des von Zelckhing Haus (Nachbarsnennung von Nr. 13)
1549 des von Zelking Haus (HKA, Niederösterreichische Herrschaftsakten B 1 A, 129r, 142r 166r), ca. 1550 städtisches Gasthaus (Seite 71).
(Entnommen aus: Rote Rose, Goldener Hirsch. Die Volksbank-Häuser am Hauptplatz der Stadt Baden. Autor Dr. Rudolf Maurer. Katalogblätter des Rollettmuseums Baden, Nr. 59, 2006)
HKA – Hofkammerarchiv Wien
lagl – Fässchen (kleines Fass)
Schloss Leesdorf
(*) 1376 kauften Herr Stefan (III.) von Zelking und seine Frau Cäcilia einen Acker in Leesdorf, der nach heutigen Begriffen gegenüber von Melkergasse 27 lag (Quelle: St. Pölten, Niederösterreichisches Landesarchiv, Privaturkunde Nr. 928).
(*) 1378 kauften die beiden eine Wiese genannt „der Gottesacker“ in Leesdorf, die gleich neben dem Acker von 1376 lag (Quelle: St. Pölten, Niederösterreichisches Landesarchiv, Privaturkunde Nr. 970).
(* Beide Daten wurden von Dr. Rudolf Maurer per Mail am 23. November 2012 in dankenswerter Weise übermittelt!)
Im Sommer 1335 stellten Jans der Turs von Rauheneck, Otto (IV.) von Zelking und Reinprecht der Turs (von Lichtenfels) den Herzögen „18 Helme (= gerüstete Krieger) und 9 Schützen“ für einen Feldzug gegen Bayern (Quelle: Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, AUR 1335 VIII 24).
1384 war Stefan von Zelking Hofmeister der Beatrix von Nürnberg, Herzogin zu Österreich (Quelle: Fürstlich Liechtenstein’sches Archiv, Urkunden von 1384 VII 16 und 1385 X 12).
Gottesacker – frühere Bezeichnung eines Friedhofs
Turs – Riese (seit 1200 Familienname der Besitzer von Rauheneck und Rauhenstein bei Baden)
Grundhof und Grundmühle
(*) Wie eben erläutert (Seite 7), ist der in alten Leesdorfer Urkunden genannte Grundhof mit der späteren Grundmühle (Melkergasse 27) gleichzusetzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um das Verwaltungszentrum der babenbergischen Herrschaft (Unter-)Leesdorf. Der Name bezieht sich wohl auf die Lage in der Talsenke des späteren Mühlbachs, auch wenn dieser Geländeeinschnitt nur sehr geringfügig war (Ähnlich bezeichnen z.B. die Flurnamen „Grund“, „Grundweingarten“ und „Grundtal“ eine wenig bedeutende Talsenke des Badnerberges, vergleich MAURER., Badnerberg, Seite 56).
1378 verkaufte Konrad Micheli der Herrschaft Leesdorf eine Wiese, genant der Gotsakcher zu Lesdorf in der au an der mül, die da heist die Grundmül (NÖLA, Privaturkunde Nr. 970 [1378 VIII 6]. – Die 12 Tagwerk große Wiese genannt der gotsakcher ist bereits 1312 erwähnt, sie lag am Mühlbach und gehörte damals zum Meierhof des Schlosses Leesdorf (Stiftsarchiv Melk, Urkunde von 1312 VI 29).
Vor ihrem Tod hat Cäcilie von Zelking, Inhaberin der Herrschaft Leesdorf, ihre Wiese zu Leesdorf vor dem Haus und heißt der Gotsakcher der Badner Priesterbruderschaft vermacht. Wie es damals üblich war, bekamen die Erben die Möglichkeit, die Stiftung zu einem günstigen Preis abzulösen, und machten 1399 Gebrauch davon (NÖLA, Privaturkunde Nr. 1489 [1399 VII 2]: Die Wiese wurde nun auf 11 Tagwerk geschätzt, der Rückkaufpreis betrug 25 Pfund).
Hier haben wir die endgültige Bestätigung: Mit „Haus zu Leesdorf“ ist eindeutig der alte Grundhof gemeint! Im Bewusstsein der Bevölkerung gab es zwei Anlagen, die die Bezeichnung „Haus zu Leesdorf“ verdienten: Die Burg und den Grundhof! Und zumindest in der Bezeichnung waren sie beide gleichberechtigt!
Obwohl es momentan nicht streng zum Thema gehört, sei hier kurz die Frage angerissen, warum die Wiese Gottesacker genannt wurde (urkundlich seit 1312). Mit diesem Ausdruck pflegte man Friedhöfe zu bezeichnen, die außerhalb des Ortsgebietes, eben zwischen den Äckern lagen (Vergleich Rudolf MAURER, „Denen Allen Gott der Allmechtig ein fröhliche Auferstehung verleihen wolle“! Ein kleiner Führer durch den Friedhof der Pfarre Baden St. Stephan = Katalogblätter des Rollettmuseums Baden, Nr. 73, 2008, Seite 5). Diese Lage trifft in unserem Fall zu, doch da es in Leesdorf nie einen formellen Friedhof gab, kann es sich nur entweder um einen Scherznamen, etwa für eine Wiese des Totengräbers, handeln, oder es wurden bei Bodenarbeiten Gebeine eines alten Gräber- oder Schlachtfeldes gefunden, die zu der erklärenden Benennung führten. Für beide oder eventuelle andere Erklärungen gibt es nicht den geringsten Beleg (Seite 8/9).
(* Entnommen aus: Katalogblätter des Rollettmuseums Baden, Nr. 84. Rudolf Maurer. Große Herren, kleine Leute. Das alte Leesdorf 1114–1800)
1417 verkauft Margarethe die Orbergerin ihr väterliches Erbe an die Kartause Gaming. Es handelt sich um zwei Weingärten am Badnerberg und eine Gülte in Leesdorf, nämlich den Grunddienst von vier Häusern (zwei davon hatten jährlich 60 Pfennige zu bezahlen, die anderen beiden nur 30): Trotz des geringen Umfangs dieser Herrschaft hatte Margarethe einen eigenen Wirtschafter dafür angestellt, denn während drei der Häuser als Hofstätten bezeichnet werden, wird das vierte als Hof, da der winczurl genannt Hanns der Prunner auf siczt, beschrieben (HHStA, AUR 1417 12 – gesehen in Kopie im NÖLA, Ordner Urkundenkopien 287).
Nach Ausweis der Gaminger Bergbücher hatten die beiden Weingärten noch 1367 den domini de Zelking (Herren von Zelking) gehört (ÖNB, Bergbuch Gaming 1367, 11r, 13r). Wahrscheinlich war also Margarethe eine gebürtige Zelkingerin und die vier Häuser stammten aus der Herrschaft Leesdorf. Während die Weingärten noch Jahrhunderte lang im Besitz der Kartause blieben (Vergleich z.B. NÖLA, Grundbuch Gaming H, 135v – de anno 1690), dürfte die Grundobrigkeit über die vier Häuser gleich weiterverkauft worden sein, denn in den Gaminger Grundbüchern ist kein Leesdorfer Hausgültenbesitz vermerkt. Da zahlreiche Leesdorfer Häuser Grunddienste von 30 und 60 Pfennigen zu leisten hatten, lassen sich die vier Untertanen nicht mit Sicherheit identifizieren, aber wenn die 4 nebeneinander lagen (was, wie wir in anderen Beispielen gesehen haben, keineswegs selbstverständlich ist), könnte es sein, dass sie, etwa in der Ungarnzeit, teilweise verödeten und zu einem einzigen Anwesen zusammengelegt wurden, dem Haus Göschlgasse 5, das einen Grunddienst von 6 Schillingen, das sind 180 Pfennige und damit die Summe der vier fraglichen Häuser, zu entrichten hatten.
(*) Die alte Burg der Wallseer und Zelkinger wurde im 18./19. Jahrhundert besonders jedoch im 20. Jahrhundert unter Anleitung des Baumeisters von „Burg“ Kreuzenstein bei Wien, Walcher von Moltheim, gründlich umgebaut.
(* Entnommen aus: Gerhard Stenzel, Von Schloß zu Schloß in Österreich, 1976, Seite 166)
Zu Ihren Fragen: Die Verbauung der drei Weingärten ist im Badnerberg-Katalogblatt genau erläutert. Die Zelkinger sind allerdings nicht erwähnt – die Besitzer jedes einzelnen Weingartens anzugeben würde jedes Buch sprengen.
Zusätzliche Informationen habe ich keine – ich habe Ihnen alles geschrieben, was ich weiß.
Herzlich,
R. Maurer